Dialog über den Umgang mit radioaktivem Abfall
Die Wahl des Wirtsgesteins, in dem das Endlager angelegt wird, ist für die sichere tiefe Lagerung von entscheidender Bedeutung. Zahlreiche örtliche Eigenschaften des Wirtsgesteins (Tiefe, Stärke, Struktur, Stabilität, kein Durchsickern von Wasser...) aber auch der Oberfläche (Raum, Bewohnung...) entscheiden über die Eignung für eine Lagerung. Nicht alle belgischen Unterböden oder Standorte sind daher für die Errichtung eines tiefen Lagers für radioaktiven Abfall geeignet.
International wird eine begrenzte Anzahl von Wirtsgesteinen für die Lagerung von hochradioaktivem Abfall und Abfällen mit langer Halbwertszeit als geeignet angesehen. Diese Wirtsgesteine oder Wirtsformationen sind Gegenstand intensiver Forschung:
Die Entwicklung eines geologischen Endlagers in einer bestimmten Wirtsformation erfordert einen systematischen Ansatz. Bei diesem Ansatz werden folgende Punkte berücksichtigt:
Die künstlichen Barrieren werden auf der Grundlage der Abfalleigenschaften und der natürlichen Barrieren entwickelt.
1974 begann das Kernforschungszentrum SCK CEN in Mol mit der Forschung zur geologischen Endlagerung. Mol verfügt diesbezüglich über ein einmaliges unterirdisches Labor: HADES (High Activity Disposal Experimental Site). Dies befindet sich in einer wenig verhärteten Tonschicht der Boom-Formation in einer Tiefe von 225 Metern.
Im Rahmen von Versuchen in Originalgröße wurde bei HADES die technische und industrielle Machbarkeit der geologischen Endlagerung in Stollen untersucht. SCK CEN und NERAS berichten, dass mehr als 40 Jahre Forschung Folgendes gezeigt haben: Bei der zu erwartenden Entwicklung des Endlagersystems können mehrere Abfallkomponenten tatsächlich sehr langfristig in die Biosphäre gelangen. Allerdings sind die kurzlebigen Radionuklide bis dahin längst zerfallen. Die Stoffe, die schließlich aus den Abfällen freigesetzt werden, können sich nämlich nur durch einen sehr langsamen Transportprozess (Diffusion) durch die geologische Schicht bewegen.
Bei den Radionukliden mit langer Halbwertszeit hängt die Freisetzung in die Biosphäre davon ab, wie stark sie im Endlager zurückgehalten werden (durch Verpackung und Betonmantel des Endlagers sowie die geologische Schicht, in der das Endlager untergebracht ist). Bei der geologischen Endlagerung in z.B. relativ weichem Ton werden Substanzen wie Plutonium stark zurückgehalten, da es sich um Schwermetalle handelt, die sozusagen an den Tonpartikeln haften. Auch ein Teil der Spalt- und Aktivierungsprodukte würde stark zurückgehalten.
Die Freisetzung der Spalt- und Aktivierungsprodukte in die Biosphäre, die wenig oder gar nicht zurückgehalten werden, verteilt sich aufgrund der Langsamkeit des Diffusionsprozesses über lange Zeiträume. Infolgedessen liegt die Exposition von Mensch und Umwelt deutlich unter den vorgeschriebenen Grenzwerten und viel niedriger als die Exposition durch natürliche Radioaktivität.
Die Stollen werden im Wesentlichen in einer Tiefe von mehreren hundert Metern ausgehoben. Je nach geologischem Kontext und erwarteter Entwicklung kann sich dies noch ändern.
Eine noch tiefere Endlagerung geht mit mehr technischen Schwierigkeiten, operativen Risiken und Kosten einher und wird nicht immer durch einen signifikanten Anstieg des langfristigen Schutzes von Mensch und Umwelt kompensiert.
Laut Internationaler Atomenergie-Organisation (IAEA), Nuclear Energy Agency (NEA/OECD) und NERAS müssen die Wirtsformation und ihr geologisches Umfeld eine Vielzahl von Eigenschaften aufweisen, um ein geologisches Endlager beherbergen zu können.
Anhand dieser allgemeinen Eigenschaften ist eine Vorauswahl der möglichen Wirtsformationen und der Umgebung möglich. Der Schutz, den das Endlagersystem als Ganzes bietet (durch die Kombination aus Abfall, technischen Barrieren, geologischer Wirtsformation und ihrer geologischen Umgebung), bestimmt die Eignung eines Wirtsgesteins und/oder eines bestimmten Standorts.
Eine Reihe von Ländern überprüfen die zusätzliche Option von Tiefbohrungen anstelle von Stollen als Endlager für hochradioaktiven Abfall und Abfälle mit langer Halbwertszeit. Dabei werden die Abfälle in Bohrlöchern gelagert, die sich in einer viel größeren Tiefe befinden als die geologische Endlagerung in Stollen. Die weltweite Forschungsarbeit im Bereich geologische Endlagerung in tiefen Bohrlöchern ist viel geringer als die zu Endlagerung in Stollen.
Endlagerung in tiefen Bohrlöchern bedeutet, dass die Behälter mit den radioaktiven Abfällen in engen Bohrlöchern, die mehr als 1 km tief sind, gestapelt werden. Der Durchmesser dieser Löcher müsste bei 40 bis 90 cm liegen. Das Bohren breiterer Bohrlöcher wäre eine technologische Herausforderung.
Bisher ist dies für kein Land mit radioaktiven Abfällen eine Option als Endlager für die eigenen B- und C-Abfälle. Diese Alternative wird vor allem für spezifische, kleine Mengen radioaktiven Abfalls, der unwiderruflich endgelagert werden muss, in Betracht gezogen. In Belgien ist der Wissensstand über das Vorhandensein von geologischen Formationen, die für die Endlagerung in vertikalen Tiefbohrungen geeignet sind, sehr gering.
Endlager werden nicht kurzfristig errichtet werden. Die Herausforderung ist komplex und erfordert jahrzehntelange Forschungs- und Entwicklungsarbeit sowie einen sorgfältig geplanten Konsultations- und Entscheidungsfindungsprozess, bevor der erste Spatenstich zum Bau dieses Endlagers erfolgt.
Auch die Regulierungsbehörde FANC bezieht in dieser Hinsicht klar Stellung: „Unter Berücksichtigung des Stands der Technik befürwortet die FANK einen nationalen politischen Ansatz, bei dem die geologische Endlagerung als Lösung für die langfristige Entsorgung hochradioaktiven Abfalls oder radioaktiven Abfalls mit hoher Halbwertszeit in Betracht gezogen wird. Gleichzeitig weist die FANK darauf hin, dass die Sicherheit eines geologischen Endlagers weiterhin auf der Grundlage von Sicherheitsdossiers im Rahmen eines noch zu bestimmenden Entscheidungsprozesses nachgewiesen werden muss."
Art und Umfang der Auswirkungen der geologischen Endlagerung auf Gesundheit und Umwelt werden sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln.
In einem Bericht über die strategische Umweltverträglichkeitsprüfung 2020 unterteilt NERAS die Umsetzung eines geologischen Endlagers in mehrere Phasen.
Jede Phase wirkt sich mehrfach auf Umwelt, Umgebung und die Menschen in der Nachbarschaft aus. Diese Auswirkungen sollten im Vorfeld in einer stufenweisen Umweltverträglichkeitsprüfung untersucht werden.